Lore L.
         
2000
2005
 
 

Biografie

Lore L., 45, ist als eines von sieben Kindern in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen. Nach dem Auszug aus dem Elternhaus jobbte sie längere Zeit, erwarb dann auf dem zweiten Bildungsweg den Hauptschulabschluss, die Realschulreife und den Hochschulzugang und nahm 1993 ein Studium auf. Kurz zuvor wurde Tochter Li (12) geboren. In den Folgejahren erfolgte die Trennung vom Ehemann, die Ausbildung wurde nicht beendet und Lore musste zum Sozialamt. Sie arbeitete in einer Beschäftigungsmaßnahme, machte im Anschluss eine Umschulung und wurde vom ehemaligen Ausbildungsbetrieb übernommen.


Studium - Kind – Scheidung – Sozialamt
(2000)

Lore L. arbeitet aktuell in einer kommunalen Beschäftigungsmaßnahme. Für sie ist es das erste Mal in ihrer Biografie, dass sie über ein relativ konstantes ausreichendes Einkommen verfügt. Bisher musste sie den Unterhalt für sich und Tochter Li vorrangig mit schlecht bezahlten, tariflich zumeist ungesicherten Tätigkeiten bestreiten.
Aufgrund ihrer familiären Herkunft und den Lebensumständen hat Lore in jungen Jahren zunächst keinen qualifizierten Schulabschluss erwerben können. Ihre Bemühungen um einen Ausbildungsplatz bleiben erfolglos und Lore L. lebt mehrere Jahre von prekären Jobs in der Gastronomie oder im Versicherungsgewerbe - unterbrochen durch Phasen der Erwerbslosigkeit. Dann holt sie alle entgangenen Bildungsabschlüsse nach und nimmt ein Pädagogikstudium auf.
In diese Zeit fällt die Geburt der Tochter Li. Nun muss neben dem Studium auch noch der gemeinsame Haushalt und das Leben mit Kind organisiert werden. Dies mit wenigen Mitteln, denn der Vater des Kindes befindet sich ebenfalls noch in der Ausbildung. Trotz sparsamster Haushaltsführung kann der Bedarf alsbald nicht mehr gedeckt werden. Eine Nebentätigkeit wird aufgenommen und das Studium gerät in Verzug. Die großen Anstrengungen dieser Lage führen zu Spannungen in der Partnerschaft und schließlich erfolgt die Trennung. Als dann auch noch die Ausbildungsförderung wegfällt, bleibt schließlich nur der Weg zum Sozialamt.
Nachdem es gelingt, einen Kindertagesstättenplatz für Tochter Li zu sichern, kann Lore ein öffentlich gefördertes Beschäftigungsverhältnis im pädagogischen Bereich aufnehmen. Die Tätigkeit ist zwar auf ein Jahr befristet. Doch sie sichert Lore ein geregeltes Einkommen, Ansprüche bei der Arbeitsagentur und verbessert ihre Chancen am Arbeitsmarkt. Lore hofft im Anschluss auf eine öffentlich geförderte Umschulung.


„Ich bin auf einem guten Weg“
(2005)

Lore hat ihre Ausbildung als Ausstatterin erfolgreich abgeschlossen und arbeitet jetzt als Angestellte im ehemaligen Ausbildungsbetrieb. Das Einkommen aus der Halbtagsbeschäftigung wird durch Kindergeld und Unterhalt für die Tochter Li ergänzt, und so reicht es aus, um den Lebensunterhalt selbstständig zu bestreiten.
Die Ausbildung wurde von der Osnabrücker Arbeitsagentur unterstützt. Bereits als Lore noch von Mitteln des Sozialamtes lebte, hatten ihr die Vermittler geraten, über eine kommunale Beschäftigungsmaßnahme Leistungsansprüche bei der Agentur zu erwerben, um dann eine geförderte Umschulung zu bekommen. Damit würde sie wieder eine realistische Arbeitsmarktperspektive gewinnen. Lore war dem Vorschlag gefolgt, und die Arbeitsagentur hatte die Umschulung genehmigt. Teilweise wurden auch die Kosten für die Kinderbetreuung übernommen.
Dabei war die Ausbildung für Lore nicht leicht zu absolvieren. Allein erziehend mit einem Kind, musste sie dem Betrieb ganztags zur Verfügung stehen. Ihre Arbeitszeiten erstreckten sich auch auf Freitagnachmittage und Samstage. Und in der Berufsschule musste sie in zwei Jahren lernen, wozu andere Auszubildende drei Jahre Zeit haben. Tochter Li brauchte ebenfalls Unterstützung, bei den Hausaufgaben, bei persönlichen Problemen. Bei alltagspraktischen Problemen konnte Lore immer wieder die Hilfe von Freunden in Anspruch nehmen. Denn während der Ausbildung war sie von morgens halb sieben bis abends zehn mit Arbeit, Haushalt und Kindererziehung beschäftigt.
Trotz dieser Anstrengungen ist Lore froh, dass es mit der Ausbildung geklappt hat. Denn ohne Ausbildung wäre sie mit ihrer Biografie heute völlig chancenlos am Arbeitsmarkt. Jetzt verfügt sie immerhin über einen interessanten Job und ein geregeltes Einkommen. Ein Wermutstropfen bleibt: Ungünstige Arbeitszeiten machen es ihr weiterhin schwer, Arbeit und Kindererziehung unter einen Hut zu bringen.


Fazit

Lore L. teilt ihre Erfahrungen mit vielen allein erziehenden Frauen. Die Kinderbetreuung schließt das berufliche Engagement über Jahre hinweg aus. Wenn der Partner keinen Unterhalt zahlt, bleibt nur der Weg zum Sozialamt. Und auch wenn die Kinder älter werden ist die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt schwierig, weil es einerseits an Berufserfahrung fehlt, andererseits an den passenden Arbeitsgelegenheiten. Soll Kindererziehung nicht zu dauerhafter Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt und in die Armut führen, muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nachhaltig verbessert werden.