Holger W.
         
2000
 
 
 
 
 

Biografie

Holger W. wurde 1967 im Landkreis Osnabrück geboren. Nach der Handelsschule machte er eine Lehre zum Werkzeugmacher und kam über die Kollegen mit verschiedenen Rauschmitteln in Kontakt. Eine fast zehnjährige „Drogenkarriere“ mit regelmäßigem Konsum von Alkohol, Heroin, Tabletten, Kokain folgte. Nach zwei misslungenen Ausstiegsversuchen gelang Holger W. 1999 der Ausstieg aus der Szene und der Einstieg in ein Methadonprogramm. 2001 wurde eine ABM in einem Selbsthilfeverein bewilligt. Ein Jahr später verstarb Holger W. an den Folgen eines Drogenrückfalls.


Methadon, HIV-positiv – mit 33 Jahren in der Sackgasse?
(2000)

Holger W. lebt von insgesamt 490 € im Monat. Davon bezahlt er seine Wohnung, die Lebensmittel, Kaffee, Tabak und gelegentlich auch ein Bier. Seine sozialen Kontakte pflegt er über die ehrenamtliche Mitarbeit beim Selbsthilfeverein JES, wobei das Kürzel JES für die Adressaten des Vereins steht: Junkies, Ehemalige, Substituierte. Die Arbeit bei JES ist für Holger sehr wichtig. Sie schützt ihn vor erneuten Rückfällen.
Privat lebt er sehr zurückgezogen, schon aus Gründen des Selbstschutzes. Seine ehemaligen Freunde und Bekannten entstammen der Szene. Dorthin möchte er nicht zurückkehren. Die freien Stunden verbringt Holger W. zumeist zu Hause, mit Musik hören, Fernsehen oder der Arbeit an seinem alten PC. Er würde gern seine Wohnung in einen wohnlichen Zustand versetzen. Leider fehlen die finanziellen Mittel, aber es mangelt auch an Kraft und Initiative aufgrund der gesundheitlichen Folgen des Drogenkonsums.
Holger W. ist HIV-positiv und leidet an einer aktiven Hepatitis-C-Infektion. Es bewegen ihn viele Fragen: Wie werden sich die Krankheiten entwickeln? Wie werden die Mitmenschen reagieren, wenn sie von seinen Krankheiten erfahren? Kann er überhaupt noch eine normale Berufstätigkeit ausüben?
Trotzdem sucht Holger W. nach einer beruflichen Perspektive. Mittelfristig würde er gern versuchen, im Bürobereich zu arbeiten. Kurzfristig wünscht er sich eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei JES, um so einen beruflichen Einstieg zu finden. Der Verein hat auch bereits bei der Stadt und der Arbeitsagentur angefragt - aber die notwendigen Fördermittel wurden bisher nicht gewährt.


Holger W. – ein Nachruf
(2005)

Holger W. hat im März 2001 eine befristete Anstellung bei JES begonnen. Nach langwierigen und zähen Verhandlungen stellten Arbeitsagentur und Sozialamt endlich die notwendigen Fördermittel bereit.
Im Rahmen seiner befristeten Berufstätigkeit hat sich Holger besonders um die Prävention vor Ort gekümmert. Er suchte den Kontakt zu Betroffenen, organisierte den Spritzentausch und animierte Menschen erfolgreich, sich an JES zu wenden. Daneben engagierte er sich in verschiedenen Arbeitskreisen zur kommunalen Armutsprävention.
Kurz vor dem Ablauf seiner befristeten Beschäftigungsmaßnahme zog sich Holger jedoch zunehmend aus dem Verein zurück und unterbrach auch sein Methadonprogramm. Im Sommer des Jahres 2002 ist er, mit 37 Jahren, an einer Überdosis verstorben.


Fazit

Holger W. ist immer wieder dafür eingetreten, dass besonders über die schwierige Lage von Menschen am Rande der Gesellschaft aufgeklärt werden müsse. Und Holger W. war in einer schwierigen Lage. Deshalb haben wir sein Porträt hier erneut aufgenommen.
Wir wissen nicht, was ihn letztlich zum Rückzug aus dem Verein bewogen haben mag, wie sich seine HIV-Erkrankung entwickelte, welche Haltung Holger hierzu schließlich selbst gefunden hat.
Deshalb bleibt dieses Porträt ohne klares, abschließendes Fazit. Es beschreibt die sehr schwierige Lebenslage eines Menschen in unserer Gesellschaft.