Nicht mehr auf der Straße
(2000)
Anne-Marie T. ist froh darüber, dass sie
nicht mehr auf der Straße lebt und auch die Alkoholerkrankung unter
Kontrolle hat. Viele ihrer ehemaligen Szenekontakte haben das nicht geschafft
und leben nicht mehr. Den Lebensunterhalt bestreitet Anne-Marie von 400
€ Arbeitslosengeld im Monat.
Da sie mit ihrem Lebenspartner einen gemeinsamen Haushalt führt,
wird dessen Einkommen mit in die Bedarfsberechnung einbezogen. Deshalb
erhält sie keine ergänzende Sozialhilfe. Das bedeutet für
sie: Die Wohnungseinrichtung ist aus zweiter Hand, die Kleidung aus der
Kleiderkammer. Urlaub, Essen gehen oder Theaterbesuche sind eigentlich
nicht möglich.
Ab und zu lädt ihre Tante sie ins Restaurant ein. Anne-Marie T. mag
dieses Angebot allerdings nicht so oft in Anspruch nehmen, weil sie sich
nicht dafür revanchieren kann.
Das Tragen von Kleidung aus zweiter Hand findet Anne-Marie T. dagegen
nicht so gravierend. Sie ist es seit der Kindheit so gewohnt. Problematischer
ist schon, dass sie ihr Bedürfnis nach neuer Lektüre oft nicht
befriedigen kann. Am schlimmsten aber ist, dass das Geld selbst bei ihrer
äußerst sparsamen Lebensweise häufig nicht einmal bis
zum Ende des Monats reicht.
Anne-Marie T. möchte keine Almosen, sondern eine angemessen bezahlte
Arbeit, um den Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten. Sie sieht
aber auch, dass ihre Möglichkeiten gering sind. Mit der jährlich
abgesenkten Arbeitslosenunterstützung wird sich ihre wirtschaftliche
Situation eher verschlechtern. Sollte völlige Erwerbsunfähigkeit
eintreten, liegt die Rente unter Sozialhilfeniveau.
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Mir geht es inzwischen richtig prima
(2005)
Anne-Marie T. übt inzwischen seit über einem
Jahr wieder eine sozialversicherungspflichtige Arbeit aus. Sie ist 30
Stunden in der Woche für eine gemeinnützige Einrichtung tätig,
säubert die Tageswohnung für allein stehende Wohnungslose. Dafür
bekommt sie 766 € ausgezahlt.
Das ist zwar nicht viel Geld für diese Tätigkeit, aber Anne-Marie
ist damit zufrieden. Denn ihr macht der Job Spaß. Und von dem Geld
kann sie nicht nur leben, sondern sogar noch etwas für die Rente
zurücklegen. Die neue Stelle wird mit Mitteln der örtlichen
Arbeitsagentur gefördert.
Der Weg zum neuen Job war schwierig. Die Arbeitsvermittlung sprach sich
zunächst gegen eine Förderung aus. Reguläre Jobangebote
gab es nicht und absolute Erwerbslosigkeit drohte. Angesichts der Perspektivlosigkeit
ihrer Lage wäre Anne-Marie fast wieder bei Alkohol und Tabletten
angelangt.
Dann erhielt Anne-Marie ein künstliches Hüftgelenk und drängte
erneut auf Förderung. Von der Arbeitsvermittlung wurde ihr zunächst
auferlegt, eine Trainingsmaßnahme zu besuchen - um die
Arbeitseignung zu überprüfen! Erst nach dem Ableisten
der Maßnahme wurde dem Wunsch nach einer öffentlichen Förderung
dann endlich entsprochen.
Heute ist Anne-Marie froh darüber, dass es mit dem Job letztlich
doch geklappt hat. Sie kann jetzt ihren Lebensunterhalt mit einer sozial
sinnvollen Tätigkeit selbstständig bestreiten und wirkt daneben
noch bei der Osnabrücker Obdachlosenzeitung Abseits!?
mit. Außerdem verkauft sie einmal im Monat gebrauchte Bücher
auf dem Antikbüchermarkt. Mit dem Erlös soll eine weitere Stelle
im Wohnungslosenheim zumindest mitfinanziert werden.
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Fazit
Für Anne-Marie T. ist es, so sagt sie: günstig gelaufen.
Sie hat jetzt einen Job, der ihr Spaß macht, ein bedarfsgerechtes
Einkommen und ist unabhängig von den Ämtern. Angesichts ihrer
Erfahrungen plädiert Anne-Marie für den Ausbau öffentlich
geförderter Beschäftigungsverhältnisse, statt die Gelder
in unsinnige Trainingsmaßnahnahmen zu stecken oder Erwerbslose nur
zu fordern, wo es doch nicht ausreichend freie und passende Jobs gibt. Man
solle lieber in sinnvolle Stellen investieren: Das würde den
Leuten wirklich helfen!
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